Gestern Abend, am 27. April 2016, wurde in Berlin im me Collectors Room „Light“, die neue Kunst-Kooperation von Ruinart vorgestellt.
Der diesjährige Partner ist der Fotograf Erwin Olaf, ein siebenundfünzigjähriger Holländer mit strahlend blauen Augen und einem spitzbübischen Lachen. Ich hatte schon am Vormittag die Gelegenheit, ihn zu treffen und habe eine der inspirierendsten und unterhaltsamsten Stunden seit langem verbracht. Nach seiner sehr direkten Begrüßung ‚You got lipstick on your teeth, I thought I better tell you‘ betrachteten wir gemeinsam seine Bilderserie, die in den riesigen Kellern von Ruinart in Reims entstanden ist (‚You might want to have a look, I know them already‘).
Der sonst für seine pompösen und farbenfrohen Fotokunstwerke berühmte Olaf präsentiert hier zwölf Schwarz-Weiß-Fotografien, die die legendären Kreidekeller in einem ganz neuen Licht erscheinen lassen. Nachdem er ursprünglich auch für Ruinart mit Models arbeiten wollte, war er mit den ersten Bildern jedoch so unzufrieden, dass er sich mit seiner Kamera und nur einem Licht auf den Weg durch die Keller machte.
Dabei entdeckte er viele kleine Elemente in den Felsen, die zum Teil durch die Natur oder die Beschaffenheit der Steine, zum anderen durch Menschenhand entstanden sind. So begegnete er in den insgesamt über acht Kilometer langen Gängen der Maison eine Vielzahl kleiner selbstgebauter Kapellen oder Altäre, ganz rührend mit einem in weichen Kreidefelsen geschnitzten Kreuz oder einer kleinen Ausbuchtung zum Aufstellen einer Kerze. Manche Arbeiter hatten sich mit Bildern, Totenköpfen oder fast kindlichen Zeichnungen in den Felsen verewigt, an anderen Stellen hatte sich der Stein über die Jahre so geformt, dass er an Kunstwerke von Rothko, an Formen, die man aus der Natur kennt oder auch an prähistorische Höhlengemälde erinnerte.
Er hat mit seinen Bildern eine Hommage an die Arbeiter geschaffen, die dafür sorgen, dass Jahr für Jahr allerorts Ruinart-Champagner getrunken werden kann. Die Bilder zeigen nicht die tägliche Arbeit, aber sie machen klar, wie viel Zeit die Menschen in diesen Kreidegewölben verbringen – mich persönlich haben die Fotos wirklich sehr berührt.
Erwin Olaf erzählte mir gestern, dass er in den letzten ein oder zwei Jahren immer wieder nach einem Twist in seiner Arbeit gesucht hatte – die prunkvollen Bilder, zu deren Entstehung immer auch viele Assistenten, Stylisten und Make-Up Artisten benötigt werden, waren ihm ein wenig zu viel geworden. So stellte für ihn seine ruhige, recht einsame Arbeit in den Kreidekellern von Reims auch einen Wendepunkt in seinem Schaffen dar – sie half ihm, sich auf die Anfänge seiner Arbeit zurückbesinnen, mit wenig Licht und Effekten zu arbeiten. Im Zuge des Gallery Weekends wird heute Abend, 28. April 2016, in Berlin auch seine Ausstellung „Nudes“ eröffnet, in der diese neue Schlichtheit schon zum Ausdruck kommt.
Abgesehen von der Tatsache, dass Erwin Olaf ein unglaublich charmanter, lustiger und reflektierter Mensch ist, mit dem zu plaudern, ein ganz großes Vergnügen ist (wunderbar auch sein Kommentar bei der Vernissage, als Sara Nuru und Mandy Capristo auftauchten: „Oh these are the Kardashians?“) – präsentierte sich mir ein Künstler, der die Arbeit der anderen zu schätzen weiß und ihnen gerne ein Denkmal setzt – so wie es ihm mit der seiner Interpretation der Keller von Reims auf jeden Fall gelungen ist.