Frederik Kallenbach ist 36 Jahre alt und Bundestagsabgeordneter – ein sehr konservativer Bundestagsabgeordneter, der sich Familienpolitik auf die Fahne geschrieben hat und sich vehement für traditionelle Werte und das Müttergeld einsetzt.
Seine Frau lebt mit den beiden Kindern in Frederiks Wahlkreis, einem kleinen Kaff im Sauerland, wo sich die beiden zu Schulzeiten kennenlernten, dann gemeinsam in Bonn studierten und schließlich zur Familiengründung wieder in die Heimat zurückkehrten.
Berlin interessiert sie nicht, die große Stadt macht ihr Angst: die Familie sieht sich am Wochenende, wenn Frederik sich auch um seinen Wahlkreis kümmert und in der Kirche, auf Schützenfesten und anderen Veranstaltungen Präsenz zeigt.
Eines Tages ist Frederik verschwunden – ob die Begegnung mit der jungen, ziemlich linken und sehr emanzipierten Liane etwas damit zu tun hat?
Spiegel-Autor Markus Feldenkirchen stellt in seinem zweiten Roman die Frage, ob man mit einem sehr strukturierten Lebensplan ohne Abweichungen nach links und rechts das wahre Glück findet. Die Überlegungen von Frederik sind teilweise so absurd und so beklemmend, dass es einer berufstätigen Frau mit Familie und Freude am eigenen Schaffen durchaus schwer fällt, seine Gedankengänge nachzuvollziehen – umso mehr erfreust Du Dich vielleicht am Chaos, das sich irgendwann unweigerlich in seinem Leben ausbreitet.
Was mich persönlich an dem Buch fasziniert hat, ist der Einblick in den Berufsalltag der Bundestagsabgeordneten, mit dem ich mich ehrlich gesagt noch nie beschäftigt habe. Genau wie in der Realität wird auch in der Fiktion am 22. September ein neuer Bundestag gewählt: die Geschichte im Juni spielt, die Nerven liegen teilweise schon ziemlich blank, es werden Allianzen gebildet und unschöne Druckmittel verwendet. Dazu kommt für die unglaublich aufreibende Wochenend-Arbeit im eigenen Wahlkreis.
Dass die Kanzlerin, die eine sympathische Nebenrolle einnimmt, sich gerne mal einen Eierlikör genehmigt, erscheint in diesem Zirkus nur allzu verständlich.
Ein ganz großer Roman, der noch lange nachklingt und in den nächsten Wochen eigentlich zur Pflichtlektüre gehört.
Keine Experimente von Markus Feldenkirchen für 22,90 Euro