Achtung: Kein Buch für schwache Nerven
Der Roman „Durch die Nacht“ von Stig Sæterbakken handelt von der Anatomie eines Trauerprozesses und ist eindeutig kein Buch zum Entspannen. Es ist – im übertragenen Sinne – vielmehr wie ein Stein, den man sich gegen die Brust schlägt, wenn man etwas fühlen möchte. Nichtsdestotrotz eine Sammlung wichtiger Denkanstöße, wenn es um das Thema Trauerbewältigung geht. Nun ja, es hilft dem Leser vielleicht nicht bei der Bewältigung der möglichen eigenen Trauer oder einschneidenden Lebensereignisse, doch es öffnet das Ventil, das den Druck negativer Gefühle ein Stück weit aus einem befreit.
Stig Sæterbakken schildert seine Wut auf alles und jeden, die Welt und sich selbst, während der Leser nicht anders kann, als weiterzulesen, weil er irgendwie „muss“.
Der Protagonist, Karl Meyer, ist Zahnarzt und führt ein bürgerliches, alltägliches Leben. Als sein achtzehnjähriger Sohn Ole-Jakob sich das Leben nimmt, gerät die Familie in ein Ungleichgewicht und droht plötzlich zu zerbrechen. Karls Frau Eva befindet sich in einem andauernden Schockzustand, während seine Tochter Stine nur noch schweigt. Karl „atmet“ seine Trauer und denkt immer wieder über den Verlust seines Kindes nach. Darüber hinaus zerfressen ihn seine Gewissensbisse bezüglich einer Affäre mit der deutlich jüngeren Mona. Er stellt sich immer wieder die Frage, ob diese Affäre für den Tod seines Sohnes Ole-Jakob verantwortlich ist. Mit einer Reise in die Slowakei versucht Karl Erlösung zu finden.
Sæterbakkens Roman „Durch die Nacht“ ist die letzte größere Prosaarbeit des Autors vor seinem Suizid 2012. Ein verstörendes Buch, das dennoch gelesen werden sollte, weil es Synapsen verknüpft und möglicherweise von Wut befreit.