Wie fühlst Du Dich mit dem Begriff „Nachhaltigkeit“? Hat das Wort an Bedeutung verloren, da mittlerweile fast alles als nachhaltig bezeichnet wird? Als ich für diesen Beitrag „Primark Nachhaltigkeit“ googelte, stieß ich direkt auf das entsprechende Care-Konzept des besagten Unternehmens – dabei widersprechen sich Fast Fashion zu Dumpingpreisen und Nachhaltigkeit doch per se.
Was hat es also auf sich mit dem Begriff, können wir ihm noch etwas Positives abgewinnen, und wie vertragen sich Nachhaltigkeit und Luxus?
Nachhaltigkeit definiert sich als die Integration ökologischer, sozialer und wirtschaftlicher Erwägungen in alle Aspekte der Geschäftstätigkeit.
Produkte und Erlebnisse sollen nur nur minimale negative Auswirkungen auf die Umwelt haben, einen positiven Beitrag zu lokalen Gemeinschaften leisten und ethische und soziale Standards einhalten.
Börsennotierte Luxusunternehmen wie LVMH, Kering oder Richemont sollen die Exklusivität und Begehrlichkeit ihre Marken erhalten und ausbauen und ökonomisch wachsen und ihre Gewinne maximieren.
Dabei betonen sie stets ihre moralische Verpflichtung, sich nachhaltig zu verhalten. In der Tat haben einige große Unternehmen so in den letzten Jahren Standards für ihre Branchen gesetzt, die mittlerweile nicht mehr verhandelbar sind – man denke an die Verbannung von Naturpelzen, die ernsthaften Bemühungen gute und haltbare Lederalternativen zu finden oder das Commitment, den CO2 Ausstoß der Modeindustrie maßgeblich zu senken.
Ein Widerspruch?
Wenn man die opulenten Shows sieht, für die Kunden, Editors und Content Creator rund um den Globus zu den schönsten Destinationen der Welt geflogen werden, wenn in einem Pariser Palais ein Skidorf mit künstlichem Schnee gebaut, eine Cruise Collection auf einen Kreuzfahrtdampfer verlegt oder ein koreanischer Palast aus dem 14. Jahrhundert in einen Catwalk verwandelt werden, dann kann man sich durchaus fragen, wo hier die Nachhaltigkeit bedacht wird.
Auch die neue Strategie, den C02 Ausstoß in Verhältnis zu den absoluten Umsätzen zu setzen, lässt eher Greenwashing vermuten.
Geht man aber auf die Ursprünge von Luxusmarken wie Hermès, Louis Vuitton oder Chanel zurück, so waren sie Handwerksbetriebe, die sich einerseits durch einen Qualitätsanspruch auszeichneten, der den der Konkurrenzbetriebe übertraf und die sich darüber hinaus stetig entwickelten. Sie überzeugten ihre Kunden mit Produkten, von denen diese oft noch nicht wussten, dass sie sie benötigen würden. Diese originären Luxusunternehmen waren das, was man heute als nachhaltig bezeichnet– sie schufen Arbeitsbedingungen, die es ermöglichten, die jeweils besten Sattelmacher, Modistinnen und Schneiderinnen bei der Stange zu halten: statt in Fabriken zum Hungerlohn wurde in Ateliers mit einigen Vorzügen gearbeitet. Materialien wurden überwiegend regional und ökologisch verträglich gesourct, die Produktionsschritte waren transparent und die Wege nachvollziehbar. Ähnlich verhielt es sich bei der Herstellung von Automobilen, Wein, Schmuck, Uhren oder Porzellan.
Solange die Kundengruppe, die sich Luxusgüter leisten konnte, klein war, solange konnte man diese nachhaltig produzieren und so visionär entwickeln, dass sie uns heute noch begeistern.
Und heute?
Mit der Erschließung neuer Märkte außerhalb Europas und den USA, hatte sich der Umsatz von Personal Luxury Goods seit 1996 von 76 Milliarden € bis ins Vorkrisenjahr 2007 auf 161 Milliarden € mehr als verdoppelt und kennt seitdem nur noch eine Richtung: steil nach oben. 2022 lag der erwartete Umsatz bei Personal Luxury Goods laut der Unternehmensberatung Bain & Company bei 353 Milliarden Euro.
Im Jahr 2007 besaß laut einer Untersuchung 90% der Japanerinnen eine Louis Vuitton Tasche, die Jahre 2010 bis 2014 gingen in die Geschichte der Luxusbranche als die „Chinese Bulimia“ ein, getrieben durch das Wachstum der chinesischen Mittelschicht und den Konsum von Luxusgütern als Zeichen der Zugehörigkeit zu einer gewissen Klasse. Wenn wir heute nach Indien schauen, so können wir davon ausgehen, dass es in den nächsten Jahren auch dort eine ähnliche Entwicklung geben wird.
Entsprechend müssen die Unternehmen mehr produzieren und ihre Produkte gleichzeitig über Verknappung und eine exklusive Preispolitik begehrlich halten.
Es wird bis in die 2030er Jahre dauern, bis die großen Konzerne ihre für diesen Zeitraum gesetzten Nachhaltigkeitsziele erreichen – die teilweise erst dadurch notwendig wurden, dass die Märkte und damit die Nachfrage sich innerhalb der letzten Jahrzehnte so rapide entwickelt haben.
Was bedeutet dies für unseren eigenen Konsum?
Wer nicht warten will, bis die Großen ihre Ziele erreichen, so kann sich an die Kleinen wenden, um mit gutem Gewissen im Luxus schwelgen möchten: es gibt schon jetzt viele Marken, die regional und nachvollziehbar unter allerhöchsten Qualitätsansprüchen produzieren.
Die butterweichen Kaschmir-Teile von Antonia Zander werden ausnahmslos in Familienunternehmen in Italien gestrickt, das Münchener Couture-Label Maison Common erlaubt sich den Luxus, nach wie vor in Deutschland zu produzieren und seine Stoffe aus den besten Webereien Italiens und Frankreichs zu beziehen. Das Designer Duo Nina und Rianna hat ein Händchen für wunderschöne Prints und produziert viele Kollektionsteile aus Vintagestoffen.
Lass Dich von den Kunstwerken aus der Porzellanmanufaktur Nymphenburg verzaubern und bedufte Dich und Dein Zuhause: die Raumdüfte des Hamburger Labels Linari sind von einer Qualität, die der Zusammensetzung eines Eau de Parfum entspricht, und die italienische Parfummarke Jusbox hat gerade ihr gesamtes Packaging auf FSC zertifizierte Papiere umgestellt.
Wenn Du lieber Second Hand oder Vintage kaufst, so gibt es mittlerweile großartige regionale Ansätze, die ganz ohne Verpackungs- und Versandwahn auskommen: C-Objects in München oder Simon und Renoldi in Köln haben tolle Initativen ins Leben gerufen, auf die wir in der nächsten Zeit noch weiter eingehen werden.
Gönne Dir ab und zu den Klang einer Vinyl-Schallplatte auf analogen Lautsprechern, sei langsam und bedacht, und genieße es!