Als im Dezember 2017 klar war, dass die deutsche Nationalmannschaft ihr erstes Gruppenspiel in der Fußball WM 2018 in Moskau bestreiten würde, hatte ich endlich ein konkretes Datum und einen Grund die Stadt, die ich nur flüchtig kannte, für ein langes Wochenende zu besuchen.
Zur Einstimmung las ich den Reisebericht Couchsurfing in Russland von Stephan Orth, ehemals Redakteur bei Spiegel Online, dem es sehr gut gelingt, die aktuelle Situation in Russland anhand vieler einzelner Beispiele zu beschreiben und ein wenig greifbarer zu machen.
Die ganze Stadt ist in verschiedene Ringe gegliedert: Ring 1 und 2 schließen sich im Halbkreis um Kreml, Roten Platz und die markantesten Teile Moskaus, der dritte Ring bildet den kreisförmigen Verkehrsmittelpunkt der Stadt und umfasst den Bereich, den man im Laufe eines verlängerten Wochenendes vielleicht gerne kennenlernen möchte: Twerskaya, Jakimanka, die Halbinsel gegenüber der Christ-Erlöserkirche, den Gorki-Park etc.
Zur WM ist Moskau natürlich nicht ganz günstig, und es war im Vorfeld nicht leicht, ein Zimmer zu finden. Normalerweise gibt es aber keine Schwierigkeiten, und seitdem der Rubel stark verloren hat, ist es auch recht erschwinglich geworden.
Neben den klassischen Hotels findest Du eine Menge hotelähnliche Unterkünfte in ehemaligen Wohnungen : hier werden mehrere Zimmer in einer Wohnung separat vermietet, die Küche nutzt man gemeinsam. Hier waren wir waren sehr begeistert vom Weekend Inn in der Nähe der Metro-Station Novokuznetskaya. Das große Zimmer mit noch größerem Badezimmer und riesigem begehbaren Kleiderschrank war super sauber und fühlte sich an wie eine nette Privatwohnung. Es liegt auf der rechten Seite der Moskwa in dem Viertel Samoskworetschje, das mit vielen kleinen Plätzen, Cafés und hübschen Läden ein bisschen studentisch anmutet.
Ich möchte nicht zu viel auf die Dinge eingehen, für die Moskau weit über seine Grenzen berühmt ist: natürlich ist die Metro das beeindruckendste öffentliche Verkehrsmittel, das ich je benutzt habe, natürlich bieten die Luxuskaufhäuser Gum und Tsum alles, was das Herz begehrt, und ganz selbstverständlich glitzern die Goldkuppeln von Kreml und Christ-Erlöserkirche in einem Himmel, der so blau ist, dass es fast schon weh tut vor lauter Schönheit.
Wobei mir all diese Monumente sehr gut gefallen, so ist darüber hinaus etwas geschehen, womit ich vor meiner Reise zu keinem Zeitpunkt gerechnet hätte: ich habe mich richtig in Moskau verliebt. In einem Maße, das ich bis dato Barcelona oder Rio de Janeiro vorbehalten hatte.
Was mir an dieser Stadt so gefällt?
Ich erwähne jetzt noch einmal den unfassbar blauen Himmel, der so ein irres dunkles schönes Blau hat wie auf keinem anderen Breitengrad– gegen ebendiesen heben sich die bunten Zwiebeltürme der orthodoxen Kirchen so heiter ab. Und das macht mich wiederum irgendwie sehr glücklich und fröhlich. Die Menschen sind eigentlich alle freundlich, sehr hilfsbereit und immer gewillt, Dich auch mit Hand und Fuss in der Kommunikation zu unterstützen. Dazu kommt, dass Moskau wahnsinnig sauber ist: egal, wo man sich bewegt, hat man das Gefühl, die Stadtreinigung sei gerade vorbei gefahren. Ganz anders als ich es erwartet hatte, fühlte ich mich ziemlich sicher.
Auf der einen Seite ist die Stadt irre groß: Du überquerst riesige 8- bis 10spurige Straßen, aber die führen Dich dann in ganz beschauliche Viertel. Der zweite Ring ist zu großen Teilen eine lange Allee, die man ganz wunderbar herunter spazieren kann. Überall gibt es kleine Spielplätze, Brunnen oder Bänke, die zum Entspannen einladen. Wenn man die Bereiche ein wenig erklären möchte, so startet man am besten vom berühmten Boltschoi-Theater über das Kaufhaus Tsum gen Norden – wer gerne shoppt und russische Designer kennenlernen möchte, der ist in den kleinen Seitenstraßen zwischen der Petrovka Ulitsa und der Terweskaya gut aufgehoben. Wer sich mit richtig guter Naturkosmetik zu richtig guten Preisen eindecken möchte, der sollte hier auch im Flagshipstore von Natura Siberica vorbeischauen.
Mein liebstes Viertel liegt etwas weiter südlich der Terweskaya und ist der Bereich um die Patriarchenteiche, ein sehr gehobenes Bohème-Viertel mit vielen Bäumen, das mit unzähligen kleinen Restaurants und Cafés zum süßen Nichtstun einlädt. Auch die bestsortierte Nischen-Parfumerie Moskaus findest Du hier, Macarons von Laduré und den coolen Sneakers Laden N9SS, der auch eine gute Auswahl von Männer-Streetwear bietet.
Sehr viel cooler und hipper ist das Areal rund um eine ehmalige Schokoladenfabrik auf der Halbinsel gegenüber der Christ-Erlöser-Kirche. Zur Zeit beherbergt es die besten Clubs der Stadt, beach-club ähnliche Surfer-Cafés (halt ohne Strand aber immerhin mit hübschen Jungs) und einige Galerien. In den nächsten 5 bis 10 Jahren werden die riesigen Fabrik-Lofts mit Blick über den Fluss sicher zu einer sensationellen Wohngegend avancieren.
Wenn man von der Halbinsel immer weiter gen Süden geht, so kommt man in den riesigen Gorki-Park. Hier kann man ganze Tage verbringen (wenn man nicht mit zwei Männern im Schlepptau im Stechschritt die 8 Kilometer zum Luzhniki-Stadion rennt, um Deutschland gegen Mexiko verlieren zu sehen) , sich an den kleinen Foodständen zu laben, die dort von Bleenis bis zur Paella alles anbieten
Gegessen haben wir im Übrigen stets sensationell: einen gesonderten Beitrag werde ich in Kürze dem White Rabbit widmen, dem Restaurant in dem sich Vladimir Mukhin der traditionellen russischen Küche auf ganz neue Art nähert. Ein anderes sehr empfehlenswertes Restaurant ist das Klevo, wo es extrem guten gegrillten Fisch gibt. Hier solltest Du unbedingt die mit Wasabi Mayonaise gefüllten Kings Crab Beine probieren sowie den Mojito auf Mors-Basis.
Für mich steht fest: ich werde noch oft wiederkommen, es gibt noch so unendlich viel zu entdecken, wozu die Zeit nicht reichte – aber das, was ich bisher gesehen habe, hat mich total überzeugt.
Ein kleiner Reisetipp: am besten direkt vom Flughafen an die App Yandex benutzen – funktioniert ähnlich wie Uber, ist sehr günstig (selbst zu WM-Zeiten) und bringt Dich zuverlässig von A nach B, auch wenn Du kein Wort Russisch sprichst.